Als unabhängiger Rentenberater kann man sich derzeit bei der Diskussion über die Zuschussrente nur verwundert die Augen reiben. „Rentenexperten“ aller Parteien und Verbände suchen verzweifelt Mikrofone um ihre Meinung preiszutun. Aber gehört die Zuschussrente in das System der gesetzlichen Rentenversicherung?
Die gesetzliche deutsche Rentenversicherung ist eine Versicherung mit sozialen Komponenten. Sie ist geprägt vom sogenannten Äquivalenzprinzip, d.h. den Leistungen der Versicherten (Beiträge) muss eine Gegenleistung (z.B. Rente) im Verhältnis stehen.
Diese Leistung aus Beiträgen steht unter dem Schutz des Grundgesetzes (Art. 14 GG). Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, bestimmte gesellschaftspolitisch notwendige Aspekte in die Rentenleistung einzubringen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Leistungen für die Kindererziehung. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes (Art.6 GG) und aus dieser Verantwortung heraus wird mit dem Äquivalenzprinzip gebrochen, obgleich für diese Kindererziehungsleistungen zuvor keine Beiträge gezahlt worden waren.
Auch bei Ausbildungszeiten handelt es sich um beitragslose Zeiten. Diese konnten in der Vergangenheit eine Rente wesentlich erhöhen.
Heute erfahren Schul- und Hochschulzeiten keinerlei geldwerte Berücksichtigung mehr. Die Bewertung von Wehr- und Zivildienstzeiten in der Rentenversicherung wurde schon seit 1982 „heruntergefahren“. Im selben Atemzug mit dem Wegfall bewerteter (versicherungsfremder) Leistungen für Schul- und Hochschulausbildungszeiten sind die Reformen beschlossen worden, die heute „plötzlich“ Altersarmut entstehen lassen sollen (vgl. RV-Nachhaltigkeitsgesetz, BT-Drs 15/2149 vom 09.12.2003). Die „Rentenexperten“ waren schon damals da.
Nachdem also „versicherungsfremde“ Leistungen gekürzt und rentenmindernde Faktoren (Nachhaltigkeitsfaktor etc.) eingeführt wurden und auch die Besteuerung der Rente auf die Bezugszeit verschoben wurde, soll nunmehr ein Aufstockbetrag, die sogenannte Zuschussrente, diesen Nachteil wieder ausgleichen.
Das grundsätzlich leistungsabhängige Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung kann nicht im Rhythmus der Legislaturperioden auf dem parteipolitischen Altar geopfert werden.
Es entbehrt jeder rentenpolitischer Kontinuität die individuelle Lebensleistung der Versicherten (Ausbildungszeiten, Wehrdienst etc.) zu kürzen, die Besteuerung „nach hinten zu verschieben“, um sodann erschreckt festzustellen, dass diese gewollt gekürzten Renten nicht mehr Grundsicherungsniveau erreichen und deshalb aufgestockt werden müssen. Warum werden beispielsweise für Geburten vor dem 01.01.1992 lediglich 12 Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt, wohingegen Geburten nach dem 31.12.1991 mit einer 3-jährigen Kindererziehungszeit zu berücksichtigen sind? War die Kindererziehung vor 1992 weniger zeitintensiv oder einfacher? Die Mütter die heute in Rente gehen (Jahrgang um 1950) haben ihre Kinder wahrscheinlich vor 1992 geboren und erhalten daher nur 12 Monate Kindererziehungszeit. Dies soll jetzt mit einer Zuschussrente wieder „ausgebessert“ werden?
Wenn schon nach 7 Jahren RV- Nachhaltigkeitsgesetz „nachgebessert“ werden soll, dann soll dies augenscheinlich mit höchstmöglichem Verwaltungsaufwand und für Versicherte völlig unverständlich erfolgen. 21 Seiten gesetzliche Neuregelungen garantieren dies.
Machen Sie selbst den Test und schauen sich nur die einfache Grundvorschrift des § 70a SGB VI an (vielleicht auch noch die Übergangsvorschrift des § 262a und die Einkommensanrechnung unter § 97a SGB VI, die übrigens auch „Ehegatten, Lebenspartnern oder Personen, die mit dem Berechtigten in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft leben“ betrifft):
Referentenentwurf_Alterssicherungsstärku
Adobe Acrobat Dokument [568.4 KB]
Download
Alles verstanden?
Es ist sicherlich das falsche Signal, Altersarmut aus den Beiträgen der übrigen Versicherten zu bekämpfen und so für eine weitere Verunsicherung der Beitragszahler zu sorgen. Für eine „Grundsicherungsrente Plus“ ist die gesetzliche Rentenversicherung der falsche Finanzier.
Joachim Scholtz
Rentenberater