Welche Rückschlüsse lassen sich aus dem Aufsatz „Selbstständige in Deutschland – Ergebnisse des Mikrozensus 2008“ aus Statistisches Bundesamt – Wirtschaft und Statistik 12/2009, Seite 1204 – 1217 sowie „Rentenversicherung in Zeitreihen –Oktober 2010“ (DRV-Schriften Band 22) ziehen?
Die Zahlen:
In der Zeit von 1980 – 2008 ist die Anzahl der Selbstständigen in Deutschland von 2,31 (altes Bundesgebiet) auf 4,14 Millionen angewachsen. Der Anteil der Selbstständigen an allen Erwerbstätigen stieg somit von 8,5 auf 11 %.
Die Gruppe der Selbstständigen wird in Selbstständige mit Beschäftigten und Selbstständige ohne Beschäftigte (Solo- Selbstständige) unterteilt.
Der Anstieg in der Zeit seit 1998 resultiert einzig aus einem enormen Anstieg der Solo- Selbstständigen, wohingegen die Anzahl der Selbstständigen mit Beschäftigten in diesem Zeitraum sank.
Beachtenswert ist hierbei, dass Entwicklung des Anteils der Solo- Selbstständigen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung den Phasen konjunkturellen Abschwungs folgt, die zugleich durch steigende Erwerbslosenquoten gekennzeichnet sind. Viele Erwerbslose versuchen nach einer Zeit der Erwerbslosigkeit ihr Glück in einer (z.T. geförderten) Solo- Selbstständigkeit.
In der Zeit von 1998 – 2008 stieg die Anzahl der Solo- Selbstständigen um 515.700 Personen auf ca. 2,3 Millionen an. Hierbei erzielten folgende Berufe die höchsten Zuwachsraten:
Hausmeister + 332 %
Sonstige soziale Berufe + 271 %
Isolierer, Abdichter +271 %
Gebäudereiniger +233 %
Fliesenleger +215 %
Sonstige Lehrer +173 %
Darstellende Künstler, Sänger + 137 %
Hochschullehrer + 113 %
Heilpraktiker + 101 %
Bildende Künstler + 94 %
Softwareentwickler + 93 %
Sportlehrer + 83 %
Musiklehrer + 82 %
Auffallend ist der starke Anstieg in künstlerischen Berufen, deren Ausübung eine (günstige) Pflichtmitgliedschaft in der Künstlersozialkasse zur Folge hat. Ferner der Anstieg von Dienstleistungsberufen wie Hausmeister und Gebäudereiniger und dem Anstieg im „einfachen“ zulassungspflichtigen Handwerk (Isolierer, Fliesenleger). Bemerkenswert ist ebenfalls der Anstieg der lehrenden Berufe.
Bei einer Aufgliederung nach Geschlecht lässt sich feststellen, dass die Selbstständigenquote bei Männern mit 13,4 % deutlich über der von Frauen mit 7,3 % liegt. Regional betrachtet, liegt die Selbstständigenquote in den neuen Bundesländern und Berlin, über der der alten Bundesländer, was insbesondere mit einer überdurchschnittlich hohen Solo- Selbstständigkeitsquote zu erklären ist.
Der Altersdurchschnitt von Solo- Selbstständigen lag mit 46,6 Jahren im Jahre 2008 um fünf Jahre über dem Durchschnitt von abhängig beschäftigten Personen.
27 % der Solo- Selbstständigen üben ihre Tätigkeit in Teilzeitform aus.
Die Daten des hier zugrundeliegenden Mikrozensus zum Nettoeinkommen schließen alle Einkommen (einschließlich sozialer Transferleistungen, Vermögen, Unterhalt) ein. Trotzdem bewegt sich das Nettoeinkommen von 28,8 % der männlichen und 40,5 % der weiblichen Solo- Selbstständigen im Bereich von unter 1.100.- € mtl..
Der Anteil der freiwillig oder pflichtig versicherten Selbstständigen in der Rentenversicherung soll bei 39 % (Solo- Selbstständige) und 38 % (Selbstständige mit Beschäftigten) liegen.
Woher diese letztgenannten Zahlen des Statistischen Bundesamtes stammen, ist unklar. Sie korrespondieren nicht mit den Angaben in „Rentenversicherung in Zeitreihen –Oktober 2010“ (DRV-Schriften Band 22). Dort werden am 31.12.2008 lediglich 259.443 pflichtversicherte Selbstständige genannt (Tabelle Seite 30, 39).
Die Bewertung:
Die vorgenannten Daten des Mikrozensus 2008 beruhen bezüglich der Selbstständigkeit auf einer Selbsteinschätzung der Betroffenen. Ob diese subjektive Sicht einer objektiven Prüfung standhält, soll an dieser Stelle unbeachtet bleiben. Mit Sicherheit wird bei einer Vielzahl von angeblicher Selbstständigkeit tatsächlich ein klassisches Beschäftigungsverhältnis vorliegen.
Gleichzeitig wird bei einem Großteil der (tatsächlichen) Selbstständigen Versicherungspflicht in der Rentenversicherung vorliegen (§ 2 SGB VI).
Künstlern ist in der Regel die Möglichkeit der relativ günstigen Absicherung durch die Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung bekannt. Die Anzahl der pflichtversicherten Künstler stieg von 96.647 im Jahre 2000 auf 152.228 im Jahre 2008. Die Gesamtzahl der versicherten Selbstständigen stieg hingegen im gleichen Zeitraum nur von 217.368 auf 259.443.
Hiervon waren 10.417 auf Antrag und 27.349 kraft Gesetz versicherungspflichtig. Die übrigen Versicherten wurden aus Künstlern (152.228), Handwerkern (52.030) und Existenzgründern (17.419) gestellt.
Den Nicht-Künstlern und Nicht-Handwerkern ist in der Regel nicht bekannt, dass sie auch als Selbstständige der Versicherungspflicht unterliegen oder, sofern dieses Wissen besteht, wird die finanzielle Belastung der Beitragsaufwendungen gescheut. Resultat ist eine fehlende Absicherung sowohl für das Risiko der Erwerbsminderung als auch des Alters sowie einer privaten Zusatzvorsorge, z.B. durch eine Riesterrente.
Ergebnis dieser fehlenden Absicherung ist eine hohe Zahl von Selbständigen, die Leistungen der Grundsicherung erhalten. Waren es 2006 noch 56.000 betrug die Zahl der Leistungsempfänger 2008 schon 114.000.
„Dies zeigt, dass immer mehr Selbstständige mit ihrem Einkommen nicht das Existenzminimum absichern können. Über die Hälfte der selbstständig tätigen Hilfebedürftigen haben monatlich weniger als 400.- € Einkommen.“ Heinrich Alt – Vorstand BA – Pressemeldung vom 06.08.2009
Wie Lösungen zu diesem Problem aussehen könnten, lesen u.a in meinem Blog vom 01.10.2011.