In einer Entscheidung vom 26.04.2013 – L 1 KR 5/11 – hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg über die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides zu einer Betriebsprüfung zu entscheiden. Im Streit waren Sozialversicherungsbeträge über 59.442,88 € zuzüglich 12.416,50 € Säumniszuschläge. Streitig war die Frage, ob ein Fremdgeschäftsführer in abhängigem Beschäftigungsverhältnis (mit der Folge einer Versicherungspflicht) stand oder Selbständigkeit vorlag.
Der Geschäftsführer war anfangs für die I-GmbH tätig. Mit Bescheid vom 06.07.2000 hatte die DRV den Geschäftsführer (als Selbständigen) von der Versicherungspflicht befreit. Auch die Krankenkasse und die Unfallversicherung bestätigten eine selbständige Tätigkeit. Die Klägerin in diesem Verfahren übernahm die I-GmbH einschließlich des gesamten Personals am 02.01.2003.
Am 28.11.2006 fand eine Betriebsprüfung statt und zum 31.12.2006 verließ der Fremdgeschäftsführer die GmbH. In der Betriebsprüfung wurde die abhängige Beschäftigung des Fremdgeschäftsführers mit der o.g. erheblichen Beitragsforderung festgestellt.
Mit der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg wurde die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung festgestellt. Gleichzeitig gab das LSG der Klägerin eine „Steilvorlage“ für ein Regressverfahren gegen den ausgeschiedenen Geschäftsführer sowie den Steuerberater und lieferte hierfür auch gleich die passenden Ausführungen mitsamt Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Aus den Urteilsgründen:
Die Anwendung des § 7b SGB IV a. F. scheidet aus, weil – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – von grober Fahrlässigkeit sowohl der Klägerin (Anmerkung: die GmbH) als auch des Beigeladenen zu 2) (Anmerkung: der Fremdgeschäftsführer) auszugehen ist.
Richtig ist das SG von der Zurechnung des (etwaigen) Verschuldens der Beigeladenen zu 1) (Anmerkung: der Steuerberater) als Abrechnungsstelle und des Beigeladenen zu 2) ausgegangen. § 278 BGB ist auch im Sozialrecht anzuwenden (BSG, Urt. v. 18. August 2005 –B 7a AL 4/05 R– juris Rdnr. 1 mit Bezugnahme auf BSGE 28, 258, 259 ff).
Der steuerliche Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnabrechnungen besorgt, muss grundsätzlich auch prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorliegt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 juris Rdnr. 11ff). Ergeben sich in einem solchen Fall tatsächliche Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so ist der steuerliche Berater gehalten, die Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräumen oder deswegen ebenso wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Zweifel auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken (so wörtlich BGH, Urt. v. 23. September 2004 – IX ZR 148/03 – juris Rdnr. 13).
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. auch BSG, Urt. v. 25.01.2001 –B 4 RA 110/00 R– juris-Rdnr. 16:). Der Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen richtet sich zwar grundsätzlich nach der Stellung des Schuldners. Tritt jedoch der Erfüllungsgehilfe mit besonderer Sachkunde auf, verstärkt dies auch die Sorgfaltspflichten des Geschäftsherrn (BGH Urteil vom 26.04.1991 –V ZR 165/89– BGHZ 114, 263-273, juris Rn. 23 -).
Hier haben der Beigeladene zu 2) (Anm.: Fremdgeschäftsführer) und die Beigeladene zu 1) (Anm.: Steuerberater) gegen die jedem, insbesondere dem Fachkundigen unmittelbar einleuchtenden Pflicht verstoßen, die Frage etwaiger abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV prüfen zu lassen. Angesichts des Ausnahmecharakters der Selbstständigkeit eines GmbH-Fremdgeschäftsführers, die diesen beiden Beigeladenen bekannt sein musste, wie das SG zutreffend entwickelt hat, drängte sich die Prüfungspflicht auch auf, auch wenn die Beigeladene zu 3) (Anmerkung: die Krankenkasse) für die I-GmbH rechtsfehlerhaft zu einem anderen Ergebnis gelangt war.
Praxishinweis: GmbH-Geschäftsführer sowie die Steuerberater der GmbH sollten sich bei allen gesellschaftsrechtlich relevanten Änderungen stets der sozialversicherungsrechtlichen Relevanz bewusst sein und hierzu ggf. die Expertise eines Rentenberater einholen.